In der Natur Details festhalten

Vielleicht hattest du auf einer Reise auch mal so einen erhabenen Anblick vor dir – und warst dann enttäuscht, als der auf den Fotos nicht so aussah?

Fotografie gab es zu Friedrichs Zeit nicht, stattdessen zeichnete er. Er versuchte gar nicht, das große Ganze, das Erhabene künstlerisch zu erfassen, sondern konzentrierte sich lieber auf die Details. Wenn er ein Motiv fand, das ihn interessierte, setzte er sich – vielleicht auf einen Baumstumpf. Er beobachtete genau, zeichnete akribisch und erforschte Sträucher, Felsen, Bergketten mit feinen Linien.

Zeichnung von Caspar David Friedrich mit dem Titel: »Felsige Kuppe«, geschaffen 3. Juni 1813

Gegenüberstellung von Zeichnung und Gemäldedetail

Caspar David Friedrich, Felsige Kuppe, 3. Juni 1813, Bleistift auf Velin (beschnitten), 11,1 x 18,6 cm, Kupferstich-Kabinett, Staatliche Kunstsammlungen Dresden

Später im Atelier fügte Friedrich diese Einzelstudien zu einem neuen Gesamtbild zusammen. Seinen Arbeitsprozess beschrieb er folgendermaßen:

Schließe dein leibliches Auge, damit du mit dem geistigen Auge zuerst siehest dein Bild. Dann fördere zutage, was du im Dunkeln gesehen, dass es nachwirke auf andere von außen nach innen.

Caspar David Friedrich
Gemälde von Georg Friedrich Kersting mit dem Titel „Caspar David Friedrich in seinem Atelier“, geschaffen 1811. Es zeigt den Maler Friedrich in einem kargen Raum, mit Malutensilien vor einer weißen Leinwand sitzend.
Georg Friedrich Kersting, Caspar David Friedrich in seinem Atelier, 1811, Öl auf Leinwand, 64 x 53 x 7,5 cm (Rahmen), Hamburger Kunsthalle, © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Elke Walford

Erst wenn Friedrich sein Bild genau vor Augen hat, beginnt er zu malen. Häufig fügte er Zeichnungen seiner Reisen zusammen und erfand Neues hinzu. Eine Art Photoshop im Kopf also.

Im Wanderer verstecken sich viele seiner Naturzeichnungen, die er im Elbsandsteingebirge anfertigte. Kunsthistoriker*innen können heute noch recht genau bestimmen, von wo aus Friedrich welche Zeichnungen anfertigte.

Weil die einzelnen Elemente der Landschaft neu zusammengefügt, komponiert werden, heißt sie auch Kompositlandschaft.

Als Ganzes gibt es diese Landschaft aber nicht.

Detailansicht aus dem Gemälde „Wanderer über dem Nebelmeer“ von Caspar David Friedrich. Der Bildausschnitt zeigt eine Felsformation im Bildmittelgrund, links des Felsens, auf dem der Wanderer steht.
Zeichnung von Caspar David Friedrich mit dem Titel „Felsformation im Elbsandsteingebirge“, geschaffen am 13. Mai 1808.
Caspar David Friedrich, Felsformation im Elbsandsteingebirge, 13. Mai 1808, Bleistift, 25,4 x 35,2 cm, Verbleib unbekannt
Detailansicht aus dem Gemälde „Wanderer über dem Nebelmeer“ von Caspar David Friedrich. Der Bildausschnitt zeigt einen kegelförmigen Berg im Bildhintergrund links vom Kopf des Wanderers.
Zeichnung von Caspar David Friedrich mit dem Titel „Landschaftsstudien“, geschaffen am 9. und 12. Mai 1808. Das Blatt zeigt untereinander vier Studien von Bergketten mit flachen, kegelförmigen Bergen.
Caspar David Friedrich, Landschaftsstudien, 9./12. Mai 1808, Bleistift auf Velin, 35,9 x 23,0 cm, Kupferstich-Kabinett, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Herbert Boswank

Vielleicht ist es sogar genau das, was an seinen Gemälden heute besonders fasziniert: Das Verhältnis von seinen Beobachtungen, seinen Vorstellungen und dem, was er schließlich als Bild daraus macht. Ein neues Bild, aus verschiedenen Bildern zusammengesetzt – das begegnet dir sicher heute auch öfter, Stichwort Künstliche Intelligenz und Fake News…