Auf Reisen Ins Unbekannte
Häufig wanderte Friedrich allein, manchmal auch in Begleitung von ein, zwei Freunden. Regelmäßig unterwegs war er mit Georg Friedrich Kersting, einem befreundeten Maler. 1810 befanden sie sich auf „Fußreise ins Riesengebirge“ im heutigen Tschechien – das notierte Kersting rechts unten auf dieser Zeichnung.
Friedrich wollte bei diesen Ausflügen vor allem inspiriert werden. Er bewunderte die Natur, ihre Kräfte und ihre Schönheit sehr und forschte ihren Formen auch bis in kleinste Details nach. Dabei sah er auch im Kleinen das Große, Universelle. Als gläubiger Christ wollte Friedrich durch das Wandern auch der göttlichen Schöpfung näherkommen und seinen Glauben neu erfahren.
Besonders verbreitet war das Wandern in intellektuellen Kreisen Europas, zum Beispiel bei den Romantiker*innen. Ihre Zeit war geprägt von wechselnden politischen Verhältnissen, der beginnenden Industrialisierung und den Ideen der Aufklärung, die das (männliche, weiße) Individuum zum freien Denken aufriefen. Durch das Wandern suchten sie eine Hinwendung zur Natur, zum Sinnlichen und Gefühlsmäßigen. Auch für die Romantiker*innen war der Abstand vom Alltäglichen wichtig, um neue Erfahrungen sammeln zu können. In Friedrichs Kunst findet sich das in Teilen wieder, weshalb seine Werke heute häufig als Inbegriff der deutschen Romantik gelten.

In der rechten unteren Ecke des Blattes steht »Prf. Caspar David Friedrich / Gezeichnet von / G. Kersting 1810. / Malrast (?) in Meißen auf / d. Fußreise ins Riesengebirge«
Zur Zeit Friedrichs stand die Begegnung mit der Natur als Reisemotivation weit oben. Der Wandertourismus boomte. Das Ziel war eine echte Grenzerfahrung: das Gefühl des Erhabenen.
Unermesslich groß, überwältigend, bedrohlich: So kann ein Ausblick vom Gipfel wirken. Als wandernder Mensch fühlst du dich davon vielleicht überfordert, klein, ohnmächtig gegenüber der Natur. Der Abgrund ist nur einen Schritt weit entfernt. Und gleichzeitig kann es schön sein, sich diesem Moment auszusetzen. Dann stellt sich das schaurig-wohlige Gefühl der Erhabenheit ein.
Nach dem Philosophen Immanuel Kant bedeutet das Erhabene: Erst in dieser Grenzerfahrung kann der Mensch seine Überlegenheit wahrnehmen, nämlich durch die Vernunft, das eigenständige Denken. Nur durch das Wissen, dass dir an deinem Standpunkt nichts passieren kann, kannst du die Aussicht genießen. Deshalb steht auch Friedrichs Wanderer ganz selbstbewusst im Bild.
Friedrich hat dieses Gefühl von Erhabenheit beim Wandern sicher auch durchlebt – und in das Bild übertragen